Die No Hate Speech Kampagne Deutschland begrüßt, dass das Thema Hass im Netz ernst genommen wird – auch juristisch. Das am 1. Oktober 2017 in Kraft tretende Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) räumt den Betroffenen ein Recht auf Auskunft ein: Sie können die Identität ihrer Angreifer*innen – mit richterlicher Anordnung – erfahren und diese juristisch belangen.
Soziale Netzwerke, die Gewinne erwirtschaften, haben bislang häufig die Aussage darüber verweigert, wie sie mit Beschwerden umgehen. Wir halten es daher für sinnvoll, dass sie darüber nun halbjährlich Berichte erstellen und auf der eigenen Homepage veröffentlichen müssen. Zudem hatte der Staat bisher keine*n Ansprechpartner*in bei laufenden Gerichtsverfahren. Wir begrüßen deshalb, dass die Anbieter durch das NetzDG dazu verpflichtet werden, eine*n „Zustellungsbevollmächtigte*n“ in Deutschland zu benennen.
Anders als das Telemediengesetz sieht das NetzDG Strafen bis zu fünf Millionen Euro vor, wenn die Betreiber offensichtlich strafbare Inhalte nicht oder nicht richtig, vollständig oder rechtzeitig löschen. Gleichzeitig legt das Gesetz eine Frist von 24 Stunden fest, um „offensichtlich strafbare Inhalte“ zu löschen – einen längeren Zeitraum kann das Unternehmen vereinbaren. Ob ein gemeldeter Inhalt „offensichtlich strafbar“ ist, sollen die Dienstanbieter laut NetzDG jedoch selbst entscheiden („regulierte Selbstregulierung“).Die Personen, die über Beschwerden entscheiden, müssen keine Juristen sein, sondern lediglich halbjährlich geschult werden. Gerade bei einer Beleidigung, dem häufigsten Online-Straftatbestand, ergibt sich jedoch oft erst aus dem Kontext, ob es sich um eine strafbare Äußerung handelt. Sachbearbeiter*innen ohne juristischen Hintergrund können nicht rechtlich einwandfrei beurteilen, was „offensichtlich strafbare Inhalte“ sind.
Zudem ist zu befürchten, dass die Unternehmen vermehrt Algorithmen einsetzen, die über Inhalte entscheiden – so können auch Strategien gegen Hate Speech dem Löschen zum Opfer fallen. Wir sehen die Gefahr, dass so auch nicht strafbare Inhalte gesperrt werden. Das Gesetz sieht zudem keine Sanktionen gegen ein „Overblocking“ des Unternehmens oder ein Widerspruchsrecht für Nutzer*innen vor, mit dem sie sich gegen eine ungerechtfertigte Löschung ihrer Inhalte wehren können. Daher befürchten wir, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland aufgrund des NetzDG eingeschränkt werden könnte.
Das NetzDG wird zu mehr Gerichtsverfahren führen, deshalb plädieren wir dafür, das deutsche Justizsystem personell aufzustocken, um schnell zu agieren. Private Unternehmen sollten nicht allein die Verantwortung für den Umgang mit Hassrede tragen.
Hass im Netz ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Juristische Schritte sind wichtig, aber nicht ausreichend, um dieses Problem langfristig lösen zu können. Dies gilt insbesondere, da das NetzDG nur die Formen von Hassrede erfasst, die nach deutschem Recht bereits strafbar sind. Damit plädieren wir nicht für die Aufnahme von mehr Straftatbeständen – Hassrede wird nie umfassend juristisch erfasst werden können. Vielmehr müssen vor allem Kinder und Jugendliche Medienkompetenz erwerben, um für den Umgang Hate Speech und Fake News gewappnet zu sein, auch wenn diese nicht strafbar sind. Formale wie non-formale Bildungsangebote müssen ausgebaut werden, um den Erfordernissen des digitalen Zeitalters gerecht zu werden.